Festliches München.
Zur Geschichte der Feiern und Feste
Faltblatt zum Geschichtswettbewerb der LH München 2001/2002
Vom Ernst des Lebens halb verschont
Ist der schon, der in München wohnt,
Wo man mit Fasching, Starkbier, Dulten
Und anderen fröhlich feuchten Kulten
Das Jahr noch immer weiß zu feiern.
Eugen Roth
„Der Bayer (…) ist äußerst vergnügungssüchtig, auf Feste erpicht und die Religion leistet diesem Hang nach Kräften Vorschub. Im Juni wird acht Tage lang, die Sonntage mit inbegriffen, gefeiert, dank den Heiligen Peter und Paul und Benno, dem Schutzpatron Münchens. Da die kirchlichen Feste ihm nicht genügen, erfindet er noch andere dazu: politische, königliche und prinzliche Geburts- und Gedenktage, Einweihungen und so weiter. Die Ausstellung wird eröffnet – Feiertag. Ein Militärorchester aus Wien erscheint – das muss gefeiert werden“ (Jules Huret um 1906, zit. nach Reinhard Bauer, S. 26).
Feste feiern ist etwas zutiefst Menschliches, das überall auf der Welt intensiv zelebriert wird. Es sorgt für eine gewisse Rhythmisierung im Ablauf des Jahres und eines Menschenlebens, strukturiert so also die Zeit. Feiern und Feste finden normalerweise statt zu Ereignissen, die ein Individuum, eine Gruppe, eine Gesellschaft oder eine Nation für erinnernswert halten. Sie fallen aus dem Alltag heraus und hinterlassen durch ihre Außerordentlichkeit starke Spuren im individuellen und kollektiven Gedächtnis. Festzeiten waren immer auch heilige Zeiten. Kontemplative Muße, sakrales Staunen oder ein Außer-sich-geraten-Können kennzeichneten sie ebenso wie Überschwang, Verschwendung und Überfluß. Der Mensch sollte aus seiner normalen Geschäftigkeit herausgehoben und in eine besondere, freudig-rauschhafte Stimmung gebracht werden, die bis zur Trance und zur Ekstase führen konnte. Diese Stimmung wurde auf verschiedenen Wegen erzeugt, z.B. durch Kulthandlungen, durch besonderes Essen und Trinken, aber auch durch Spiel, Wettkampf, Tanz, Musik und (Ver-) Kleidung.
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts waren Fest und Öffentlichkeit weitgehend deckungsgleich. Auch private Feiern wie Taufen, Hochzeiten oder Begräbnisse ragten weit in den öffentlichen Bereich hinein und waren begleitet von festlichem Brauchtum. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts nahm die Tendenz zur Verhäuslichung, Privatisierung und Intimisierung der Feste zu. Gleichzeitig wurde Anfang des 20. Jahrhunderts, durch eine immer anonymer empfundene, industrialisierte Welt, der Wunsch nach Flucht aus dem Alltag immer größer. „Zurück zur Natur“ oder „Gemeinschaft statt Gesellschaft“, lauteten etwa die Devisen der lebens-reformerischen Jugendbewegung, aber auch „Mehr Erotik, bitte“ (Oskar Maria Graf) bei den Schwabinger Bohèmiens und ihren legendären Atelierfesten der 1920er Jahre. Diese Sehnsucht nach Ausflucht machten sich später die Nationalsozialisten zu Nutze und inszenierten eine politische Festkultur, die allerdings auch deutliche Züge der Verherrlichung von Gewalt und Tod trug.
Nachdem das Feiern von Festen immer auch Ventilfunktion hat, kann es kaum verwundern, dass in der unmittelbaren Nachkriegszeit oft exzessiv gefeiert wurde. Man wollte das Elend der Hungerjahre und die Zerstörungen der Städte vergessen, aber auch die enormen Verunsicherungen durch die in deutschem Namen verübten Verbrechen verdrängen. Hieß das Motto der Nochmal-Davongekommenen Ende der 40er Jahre „Hoppla, wir leben noch“ (Erich Kästner), so war die ausufernde Partykultur der 50er Jahre geprägt vom aufkommenden Wir-Gefühl des Wirtschaftswunders („Wir sind wieder wer“). In den 60er und 70er Jahren wiederum bekam das Feste feiern eine eindeutig politische Komponente. Der „spießige“ Alltag sollte einerseits zu einem permanenten Fest umgestaltet werden („Lieber Feste feiern als feste arbeiten"), während gleichzeitig aber gerade "die 68er" zeremonielle Feiern und Rituale als zwangsneurotisch und hohle Geste diffamierten, wie z.B. die Selbstinszenierungen der "Universitätstrachtengruppen" bei akademischen Feiern. Als bewusste Gegenveranstaltung zu bürgerlichen Festen, die sich immer stärker durch Konsum und Kommerz auszeichneten, waren ursprünglich die Open-Air-Festivals der Jugendkultur der 70er und 80er Jahre gedacht (Stichwort: Woodstock oder Tollwood). Ein letzter Höhepunkt in dieser Entwicklung der alternativen Festkultur waren die „Love Parade" oder – für München – der „Union Move", aber auch die Stadtteil- und Straßenfeste, die sich in jenen Jahren zu etablieren begannen. In der heutigen Spaßgesellschaft haben öffentliche Feiern und Feste einen weiteren Bedeutungsverlust erfahren. Sie wurden zu einem Teilbereich der Freizeit und verloren damit sowohl ihre Monopolstellung als Ort des Ausgelassen-Fröhlichen als auch ihre Funktion der Erhöhung des Alltags in die festliche Außerordentlichkeit .
Der Geschichtswettbewerb „Festliches München“ soll zu Recherchen und zum Nachdenken darüber anregen, wie sich das Feiern über die Jahrzehnte hinweg verändert hat, welche Festereignisse aus welchen Gründen in Erinnerung geblieben sind, welche familiären Feierlichkeiten den Alltag unterbrochen haben, wie die Feste gestaltet wurden oder welche Veränderungen der Festgewohnheiten – etwa durch die ausländische Bevölkerung in München – stattgefunden haben.
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