Alltagsleben

"Es ist uns ein liebliches Los zugefallen". 
Zum Alltagsleben der Juden auf dem Land im Bayern des 19. Jahrhunderts.

Bayerischer Rundfunk, "Bayern – Land und Leute", 19.1.1986 (Wh: 10.3.89) 

„An Neujahr 1806 ist uns ein liebliches Los zugefallen. Ihre kurfürstliche, herrschaftliche Durchlaucht Maximilian wurde als König von Bayern und Schwaben proklamiert, so dass wir von nun an königlich bayerische Untertanen sind und unser Schutz nur von ihm abhängt“. So reagierte Rabbiner Abraham Meyer aus dem schwäbischen Altenstadt voller Freude auf die Auflösung der bisher gültigen Judenschutzverhältnisse mit ihren oft erpresserischen Bedingungen und Abhängigkeiten von den jeweiligen Territorialherrschern. In den sog. Judenschutzbriefen wurde beispielsweise genauestens festgehalten, was die Juden durften und was nicht – vor allem wie viel sie jährlich zahlen mussten, um weiterhin geduldet zu werden.

Groß ist oft das Erstaunen, wenn die Rede auf das Landjudentum kommt, werden Juden doch vor allem als Mitglieder des (Groß-)Bürgertums der Städte beschrieben. Tatsache ist jedoch, dass noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts über 90% aller Juden in Deutschland auf dem Lande lebten, davon allein ein Viertel in Bayern. Wie konnten sie mit ihrer eigenen Religion, ihrer eigenen Sprache und mit ihren eigenen Gebräuchen, – so war der wöchentliche Feiertag ja der Samstag (Schabbes) und nicht der Sonntag – überhaupt zusammenleben mit einer vorwiegend katholisch-konservativen Landbevölkerung?