Fini Busch und der deutsche Schlager

Der Seemann, das Sugar-Baby und die Schützenliesl
Was wäre der deutsche Schlager ohne Fini Busch? Bearbeitetes Interview

in: zeitenweise. Geschichtsmagazin für München, Nr. 2, Musikalisches München, Mai 1998, S. 32-33.

Fini Busch, Jahrgang 1928, ist im Schlachthofviertel in einer kinderreichen Familie aufgewachsen. Nach Abschluß der Handelsschule wurde sie beim Bayerischen Rundfunk angestellt. Durch ihre Tätigkeit beim Radio kam sie zum Texten und hat mit fast 1500 Titeln Schlagergeschichte geschrieben. Ihre größten Erfolge feierte sie in den 50er und 60er Jahren, mit Texten z.B. für Peter Kraus (Sugar-Baby), Ted Herold (Moonlight), Lolita (Der weiße Mond von Maratonga), Conny Francis (Schöner fremder Mann), Esther Ofarim (Morgen ist alles vorüber) oder Peter Alexander (Träum, wenn du einsam bist). Der folgende Beitrag ist ein bearbeitetes Interview.
 

Im Februar 1946 bin ich beim Frauenfunk eingestellt worden, weil ich sehr gut Englisch konnte. Die Redakteure im Funk waren zwar Deutsche, aber alle Abteilungen im Radio standen damals unter amerikanischer Oberhoheit. Beim Frauenfunk habe ich Büroarbeiten gemacht, Sendungen abgetippt, Manuskripte abgeschrieben. Nach zwei Monaten bin ich im Funkhaus zufällig dem Jimmy Jungermann auf der Treppe begegnet. Ich habe ihn vorher nicht gekannt, dem Namen nach natürlich schon, weil der Jimmy war ja eine Berühmtheit im Funk. Er war in der Abteilung Unterhaltungsmusik und hat mich gefragt, ob ich nicht zu ihm in die Tanzmusik kommen möchte. Ich war 18 Jahre alt und habe spontan ja gesagt. Acht Jahre blieb ich dort. Der Jimmy hat mir ziemlich schnell freie Hand gelassen. Ich habe dann eigene Sendungen gemacht, Lieder ausgesucht und zusammengestellt, Zwischentexte geschrieben, Cutterarbeiten beaufsichtigt. Ich war ein Fan der amerikanischen Musik. Wir haben sie viel gespielt, weil sie in die Nachkriegszeit ein bißchen Fröhlichkeit brachte.

Meinen ersten Text habe ich 1949 geschrieben. Da hat der Rundfunk ein Gutenacht-Lied gesucht. Das sollte jeden Tag bei Sendeschluß gesendet werden mit Rudi Schuricke als Interpret. Ich habe verschiedene Texter angeschrieben und um Einsendung von Texten gebeten. Da hat der Jimmy zu mir gesagt, dieses Thema sei doch auch was für ein Mädel, ich soll’s doch mal probieren. Das habe ich getan, und eine Jury – die Texte waren alle ohne Namen – hat meinen herausgesucht. Bald kamen schon zwei ortsansässige Komponisten, die wußten, daß der Text von mir war und wollten, daß ich auch etwas für sie schreibe. Und so fing´s an. Einer der ersten war Werner Scharfenberger. Er war damals Pianist bei Max Greger.

Anfangs habe ich als Vorlage Noten bekommen, später waren es Tonbänder oder Kassetten, die der Komponist bespielt hat. Die habe ich mir angehört und danach die Texte gemacht. Es war äußerst selten, daß ich mit einem Text oder einer Textidee zu einem Komponisten gekommen bin. Ich habe mich immer von der Musik beeinflussen lassen. Meistens wußte ich, ob eine Frau oder ein Mann singen wird, danach richten sich ja oft die Texte. Ich habe auch für viele Musikfilme Texte geschrieben. Da war das Thema sowieso vorgegeben. Ich hatte natürlich auch meine Lieblingsinterpreten, wie z.B. Peter Kraus, Gerhard Wendland oder Conny Francis. Für sie habe ich viel geschrieben. Sie war eine Perfektionistin. Wenn ich mit ihr die Texte durchgegangen bin, hat sie immer gesagt: “Du mußt mir das ganz genau erklären, ich kann ja kein Deutsch, aber ich muß es verstehen. I want to sing it with all my heart (es muß von Herzen kommen)“. Dann haben wir solange geübt, bis es gut war. Man hat richtig gemerkt, wie es von Aufnahme zu Aufnahme besser wurde. Für Conny hab ich 48 Lieder geschrieben, für Peter Kraus übrigens auch, einige davon mit den Kessler Zwillingen oder mit Conny Froboess zusammen.

Die Interpreten haben sich nie in meine Texte eingemischt, höchstens daß einer mal gesagt hat: „Da oben, das i, das kann ich nicht singen, mach doch lieber ein a oder ein e daraus“. Dann habe ich versucht, die Zeile so zu ändern, daß ein anderer Vokal dort war. Aber es hat nie jemand gesagt, der Text paßt mir nicht oder der müßte so und so sein. Wenn ich einen Text schreibe, dann singe ich ihn mir mehrmals vor, damit ich höre, wie er klingt. Aber meine Texte öffentlich selbst zu singen, auf die Idee bin ich nie gekommen.

Ich war damals die jüngste unter den Textern und soviel ich weiß, auch die einzige Frau. Da habe ich mich schon durchsetzen müssen gegen die bekannten, routinierten Textdichter. Richtig Fuß gefaßt habe ich eigentlich erst, als ich Ende 1953 den Rundfunk verließ. Kaum war ich dort weg, konnte ich mich kaum mehr retten vor Aufträgen. Ich mußte viel ablehnen, denn soviel hätte ich gar nicht schreiben können. Mein erfolgreichstes Lied ist der „Seemann“. Dann kommt gleich „Ein Schiff wird kommen“. Bei dem bin ich allerdings nur Subtexter, das war ja ein griechisches Lied. Den Originaltitel habe ich allerdings gleich vergessen können, denn der Film zu dem Lied hieß „Never on Sunday“. Da spielt Melina Mercouri ein leichtes Mädchen, das jeden Abend mit einem Anderen herumzieht, nur nicht am Sonntag, da will sie ihre Ruhe haben. Aber das hätte man damals in Deutschland nie bringen können. So wurde der Text halt ein bißchen braver, in dem das Mädchen aus Piräus jeden Tag am Hafen steht und nur auf den „Einen“ wartet, der ihre große Liebe ist.

Um auf meinen größten Erfolg zurückzukommen – das war der „Seemann“. Der war eine Riesenüberraschung. Werner Scharfenberger und ich wurden beauftragt, so ganz auf die Schnelle für Lolita ein Lied zu schreiben als B-Seite einer Schallplatte. Die A-Seite war fertig, sie hieß La Luna, und der Produzent sagte: „Schreibt’s irgendwas hintendrauf, völlig wurscht“. Er wollte die Platte möglichst rasch herausbringen, und so entstand der „Seemann“. Doch innerhalb einer Woche drehte sich die Platte, „Seemann“ war der Hit und von La Luna hat man nie wieder was gehört. Von unserem „Seemann“ gab es ja wahnsinnig viele Versionen, er war sogar in Amerika 7-8 Monate lang in den Charts ganz vorn, kam bis auf Platz 3. Das war 1961/62. Bei dem Lied hat einfach alles gestimmt.

Ein weiterer Erfolg war die „Schützenliesl“, die ich 1953 mit Gerhard Winkler und Fred Rauch geschrieben habe. Der Titel wird auch heute noch oft gespielt, nicht nur auf dem Oktoberfest. Für den „Seemann“ und für „Ein Schiff wird kommen“ erhielt ich Anfang der 60er Jahre je eine goldene Schallplatte. Das war eine Seltenheit, denn es mußten über eine Million Schallplatten verkauft werden. Nach heutigen Maßstäben hätte ich weit mehr Goldene, denn heute bekommt man sie schon für 500.000 Platten. Bei einer ganzen Reihe von Titeln bin ich genau dazwischen hängen blieben.

Damals, zur Zeit meiner großen Erfolge, hat sich meine älteste Tochter regelrecht geniert, daß ich Schlagertexte schreibe, weil es für sie nur die englische Popmusik gab. Heute kommen die alten Schlager wieder richtig in Mode. Ich glaube, daß die jungen Leute Sehnsucht haben nach schönen Melodien, naja, und vielleicht auch nach deutschen Texten zum Mitsingen. Ich schreibe jetzt viel weniger Texte, habe zwar den Kopf voller Ideen, aber ich finde keinen geeigneten Komponisten. Werner Scharfenberger macht keine Musik mehr, andere, mit denen ich viel zusammen gearbeitet habe, leben nicht mehr und zu der heutigen Musik kann ich wieder die Texte nicht schreiben. Ich brauche schöne Melodien, egal ob flott oder langsam, eben nur gute Melodien. Aber mich anbieten, überallhin meine Texte verschicken, das habe ich nie gemacht und das möchte ich auch jetzt nicht.

[Fini Busch starb am 2. November 2001]