Die gestohlene Medaille.
Die jüdische Hochspringerin Gretel Bergmann und die Olympischen Spiele von 1936.
Bayerischer Rundfunk, "Geschichte und Geschichten", 19.3.1994
In den Annalen der Geschichte des Sports wird man ihren Namen meist vergeblich suchen und doch hatte sich Gretel Bergmann einmal berechtigte Hoffnungen auf eine olympische Medaille machen dürfen. Sie hatte 1934 den britischen Rekord im Hochspringen gebrochen, war 1936 mit der deutschen Meisterin gleichgezogen und gewann 1937 und 1938 die amerikanischen Hochsprung-Meisterschaften. Sie galt nicht nur bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin als Medaillenanwärterin, sondern auch für die Spiele 1940 in Tokio.
Doch Gretel Bergmann wurde beide Male aus politischen Gründen um ihre Chance betrogen: 1936, weil sie als Jüdin nicht die rassischen Anforderungen der nationalsozialistischen Machthaber erfüllte und 1940, weil der Zweite Weltkrieg ausgebrochen war. Dabei war sie für die Olympiade in Berlin extra aus England zurückgeholt worden, wohin sie nach Hitlers "Machtergreifung" emigriert war. (Ursprünglich stammte sie aus dem schwäbischen Laupheim, wo ihre weit verzweigte Familie einen Friseurgroßhandel betrieb). Aus Rücksicht auf die amerikanischen Boykottdrohungen, die in einem Ausschluß der deutschen Juden eine Verletzung der olympischen Regeln sahen, hatte man ihr einen Platz in der olympischen Kernmannschaft gegeben. Die jeweils drei besten jeder Sparte sollten dann an der Olympiade teilnehmen dürfen. Und Gretel Bergmann gehörte zu den drei besten im Hochsprung der Frauen.
Am selben Tag, als die amerikanische Olympiamannschaft in Richtung Berlin in See stach, bekam Gretel Bergmann den Brief mit der Absage. Ihre Leistungen hätten angeblich den Anforderungen nicht entsprochen. Für die Amerikaner war der Vorfall zwar bedauerlich, aber ihre Teilnahme an den Spielen sagten sie wegen dieser kleinen Jüdin doch nicht ab. Der Fall Bergmann ging in der ungeheuren Olympia-Euphorie, in der gigantischen Inszenierung eines Massenspektakels, sang- und klanglos unter..