2.6.1804
König Heinrich I. von Haiti wird gekrönt
Seine Regentschaft begann mit der Verleihung eines wunderschönen Titels: "Heinrich, durch die Gnade Gottes und die Verfassung, König von Haiti, Zerstörer der Tyrannen, Wohltäter der haitianschen Nation, Schöpfer ihrer moralischen, politischen und militärischen Institutionen, erster gekrönter Monarch der Neuen Welt, Verteidiger des Glaubens". Eigens zum Zweck seiner Krönung war in der Hauptstadt Port-au-Prince eine Kathedrale errichtet worden – von einem Heer von Arbeitern in nur 10 Wochen. Direkt unter der Kuppel befand sich der königliche Thron, rechts vom Altar stand der scharlachrote Stuhl des neu geweihten Erzbischofs von Haiti und dahinter eine Tribüne für Chor und Orchester. Ganz links, auf einer weiteren Tribüne konnte die Königin und der Hofstaat miterleben, wie – ja, wie der ehemalige Negersklave Henri Christophe zum König von Haiti gesalbt wurde. Sie haben ganz richtig gehört: ein ehemaliger Sklave und ein Farbiger dazu. Henri Christophe war der erste und scheint bislang der einzige geblieben zu sein, der es so weit bringen konnte. Und er ließ sich diesen märchenhaften Moment weiß Gott was kosten. 8 Tage und 8 Nächte lang wurde gefeiert, was das Zeug hielt. Jeder konnte mitmachen, ob weiß oder schwarz, Mann oder Weib, arm oder reich. Die Krönung Henri Christophes war das größte und vielleicht auch seltsamste Ereignis, das Haiti bis dahin erlebt hatte.
Wie hatte der einstige Negersklave das nur geschafft? Und woher kam das Geld? Nun, Henri Christophe war es gelungen, die Landwirtschaft Haitis neu zu organisieren. Denn die einst gewinnträchtigen Plantagen waren nach der Revolution und dem anschließenden Bürgerkrieg in einen traurigen Zustand geraten. Und vorher hatte die Bevölkerung nichts davon gehabt, weil die Plantagenbesitzer den Löwenanteil der Erträge für sich beanspruchten. Dann waren Leute wie Christophe gekommen. Sie nahmen die Parolen der französischen Revolution wörtlich: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Das konnte einem Mann wie Napoleon keinesfalls gleichgültig sein. Schließlich war die revoltierende Insel Teil seines Kolonialreiches. Also ließ er Haiti von einer riesigen Flotte belagern und brachte die Einwohner in schwerste Bedrängnis. Aber als der französische Oberbefehlshaber Henri Christophe zur Kapitulation zwingen wollte, bekam er von ihm nur zu hören: "Es ist hoffnungslos, irgendwelche Berechnungen bezüglich unserer Sache anzustellen. Die Entscheidung, ein Mensch zu sein, und zwar ein freier Mensch, das ist das Ergebnis meiner Arithmetik!". Bei diesem kühnen Schlagabtausch kam Henri und seinen Haitianern allerdings etwas zu Hilfe, dem die Franzosen nicht gewachsen waren: das Gelbfieber. Napoleon verlor – 30.000 Soldaten und die Insel. Doch nach dem Sieg bekam Christophe Widerstand aus den eignen Reihen zu spüren. Zwei charismatische Rivalen, ehemalige Sklaven wie er selbst, stritten sich mit ihm um die Macht. Christophe scheint allerdings das größere politische Geschick an den Tag gelegt zu haben und blieb schließlich alleine übrig. Er regierte die Insel als König immerhin 9 Jahre lang, zunächst als wohlwollender Souverän, später aber immer eigenwilliger, jähzorniger, tyrannischer. Im Land herrschten zwar Ordnung und Wohlstand, aber Christophs allgegenwärtige Kontrolle brachte das Volk gegen ihn auf. 1820 erlitt der noch immer kraftstrotzende König einen Schlaganfall. Kurz darauf brach eine spontane Meuterei unter den Soldaten aus, die zu einer landesweiten Revolte führte. Am 20. Oktober 1820 zog Heinrich I. von Haiti die Konsequenzen. So stilvoll, wie er seine Herrschaft begonnen hatte, beendete er sie auch: er erschoß sich mit einer goldenen Kugel.