"The Wild Place" – das Polenlager Wildflecken.
Erlebnisse einer amerikanischen Flüchtlingsbetreuerin in der Trümmerzeit.
Bayerischer Rundfunk, "Bayern – Land und Leute", 19.4.1998
Im Juli 1945 kam die Schriftstellerin Kathryn Hulme als Mitglied eines internationalen Teams einer UNO-Hilfsorganisation zur Betreuung von Flüchtlingen und Verschleppten nach Deutschland. Sie wurde mit 10 anderen Helfern dem Lager Wildflecken zugeteilt, wo sie statt der erwarteten 2000 Hilfsbedürftigen 20.000 Menschen vorfand. Und dauernd kamen weitere Transporte hinzu, oftmals entweder überhaupt nicht angemeldet oder aber mit weit mehr Flüchtlingen als angekündigt. Die Helfer arbeiteten rund um die Uhr, doch sie konnten nicht einmal die schlimmsten Mißstände abstellen. Voller Verzweiflung über diese Sisyphus-Arbeit machten sich immer wieder überforderte Team-Mitglieder bei Nacht und Nebel aus dem Lager davon. Erlösend empfanden deshalb alle die winterlichen, heftigen Schneefälle, die das Lager vier Monate weitgehend von der Außenwelt abschlossen, weil nun wenigstens keine neuen Transporte mehr zu erwarten waren.
Jetzt endlich konnte allmählich eine funktionierende Lagerorganisation aufgebaut werden. Und Kathryn Hulme kümmerte sich nun vermehrt um die Lagerbewohner selbst. Das machte ihre Arbeit nicht leichter, denn sie kam nun mit vielen erschütternden Einzelschicksalen in Berührung, die alle individuelle Lösungen erforderten. Fast acht Jahre lang widmete sich die Amerikanerin ihrer schweren Aufgabe, den entwurzelten, vielfach gebrochenen und traumatisierten, von der deutschen Bevölkerung oft verachteten "Displaced Persons" wieder auf die Füße sowie zu einer neuen Existenz und zu einer neuen Heimat zu verhelfen. 1953, gleich nach ihrer Rückkehr in die USA, schrieb sie über ihre Erlebnisse ein Buch, das in seiner Eindringlichkeit und kenntnisreichen Darstellung einzigartig ist: "The Wild Place" – ein Buch nicht nur über wilde Orte, sondern auch über verwilderte Zeiten und Menschen. Bei ihrer Arbeit im Flüchtlingslager lernte sie im übrigen eine andere Helferin kennen, über deren Lebensgeschichte sie einen Weltbestseller verfasste, nämlich „Das Leben einer Nonne“ (später verfilmt mit Audrey Hepburn).