„Ein Schandfleck weniger!“
Geschichte der Altenstadter Dorfsynagoge.
Bayerischer Rundfunk, "Bayern – Land und Leute", 4.11.2001
1725 errichteten die Juden von Altenstadt ihr erstes hölzernes Gotteshaus, da gehörte der Ort noch zu der kleinen, schwäbischen Territorialherrschaft Aichheim. Nach dem 30jährigen Krieg verarmt, hatten sich die als „Judenfresser“ bekannten Grafen von Rechberg neue Einnahmequellen erschließen müssen. Da waren ihnen die jüdischen Familien gerade recht gekommen, die nach den reichsweiten Vertreibungen aus den Städten im Doppelort Illereichen-Altenstadt dringend eine neue Heimat suchten. Sie zahlten den Grafen „Schutzgelder“ nach den damals üblichen Knebelverträgen mit Laufzeiten zwischen 6-15 Jahren, euphemistisch „Judenschutzbriefe“ genannt. Wegen ihrer abgeschlossenen Lage unterhalb des Herrschaftssitzes Illereichen konnten die Juden von Altenstadt dann im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts ein sehr eigenständiges Gemeindeleben und ein ungewöhnliches Selbstbewusstsein entwickeln, das 1802 im Neubau einer monumentalen steinernen Dorfsynagoge an exponierter Stelle sichtbar wurde.
Im Laufe des 19. und vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts siedelten sich immer mehr Christen in unmittelbarer Nachbarschaft zur jüdischen Bevölkerung an, weil die Gegend durch die Eisenbahnlinie, die Landstraße von Memmingen nach Ulm sowie einer florierenden Fabrik enorm an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen hatte. Die anfängliche Zurückhaltung bei beiden Religionsgemeinschaften wich bald einem relativ problemlosen Zusammenleben. Hohe Feste und Begräbnisse wurden ganz selbstverständlich miteinander begangen; auch in den Wirtshäusern oder in den Vereinen saß man gesellig zusammen. Und der Männergesangsverein des Dorfes gab noch im Sommer 1933 wie gewohnt seine Konzerte im „akustisch sehr vorteilhaften Synagogenhof“, bis ein heftiger Rüffel „von oben“ dem ein Ende setzte.
Die Synagoge überlebte – zumindest äußerlich – fast unbeschädigt die „Reichskristallnacht“. Sie musste aber an die christliche Gemeinde verkauft werden, die den Bau als Feuerwehr- und Lagerhaus zweckentfremdete. Als nach Kriegsende keiner der 1942 deportierten Altenstadter Juden zurückkehrte, wurde der sakrale Bau in der Ortsmitte zum Stein des Anstoßes und nach heftigen Querelen 1955 abgerissen.