Vom Vernichtungslager ins Flüchtlingslager.
Jüdische Überlebende des Holocaust als ‚Displaced Persons‘.
in: Peter Fassl (Hrsg.), Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben II, Sigmaringen 2000, S. 401-412.
„Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des zweiten Weltkrieges geführt hat, (…) gibt sich das bayerische Volk, (…) nachstehende demokratische Verfassung.“ So beginnt die bayerische Verfassung und das mit dem Trümmerfeld war ernst gemeint. Die katastrophalen Auswirkungen des II. Weltkriegs zeigten sich aber nicht nur in den materiellen Zerstörungen, sondern auch in den grundlegenden demographischen Umwälzungen. 20-30 Millionen Menschen waren unmittelbar nach Kriegsende unterwegs: verschleppte Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und befreite KZ-Häftlinge strömten in wilden Trecks aus Deutschland heraus der Heimat zu, während entlassene Soldaten und Flüchtlinge, vor allem aus dem Osten, zurückdrängten.
Die Alliierten waren völlig überrascht von der hohen Zahl Nichtdeutscher aus allen möglichen Ländern, die sie auf deutschem Boden vorfanden. Sie bezeichneten all diejenigen als "Displaced Persons" (kurz DP), die infolge des Krieges aus ihrer Heimat geflohen, vertrieben oder verschleppt worden waren. Das waren rund acht Millionen Menschen. Durch das sogenannte Repatriierungsprogramm konnten im Laufe des Jahres 1945 unter schwierigsten Bedingungen ein Großteil dieser "entwurzelten Personen" wieder nach Hause geschickt werden, man schätzt ungefähr 80%. Doch dann kam der Heimtransport ins Stocken, und zwar nicht nur wegen des strengen Winters 1945/46 und der zerstörten Transportwege. Die restlichen DPs, vorwiegend Bewohner der Ostgebiete, wollten oder konnten aus den verschiedensten Gründen nicht mehr zurück.
Das betraf die jüdischen DPs in besonderem Maße, die ja nirgendwohin zurück konnten. Solange sie keine Möglichkeit zur Auswanderung fanden, mussten sie sich im „Wartesaal Deutschland“ einrichten. Und so entstanden vor allem in der amerikanischen Zone eine Reihe von jüdischen DP-Lagern, eine eigene Welt für sich mit eigenen Gesetzmäßigkeiten, Zeitungen, Schulen, Lehrwerkstätten, Restaurants und regem, kulturellem Leben, allerdings nur für einige wenige Jahre – Föhrenwald bei Wolfratshausen wurde als letztes Lager 1957 aufgelöst.